Die SWR-Falle: Warum ein perfektes Stehwellenverhältnis keine perfekte Antenne garantiert

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I. Einleitung: Der heilige Gral des 1:1 SWR

Für Funkamateure auf der ganzen Welt ist es ein fast universelles Ziel: das Erreichen eines Stehwellenverhältnisses (SWR) von 1:1. Das SWR-Meter ist oft das erste und wichtigste Diagnosewerkzeug, um die Funktion einer Antenne zu überprüfen. Ein niedriger Wert signalisiert uns, dass unser Funkgerät «glücklich» ist und seine volle Leistung abgeben kann, ohne dass Schutzschaltungen eingreifen. Doch was wäre, wenn dieses beruhigende 1,1:1 auf dem Display nicht die ganze Wahrheit erzählt? Was, wenn es eine grundlegende Ineffizienz im System verschleiert?

Dieser Artikel taucht tief in ein oft missverstandenes Phänomen ein: die «SWR-Falle». Wir werden aufdecken, warum ein niedriges SWR nicht zwangsläufig eine hohe Effizienz bedeutet und wie verlustbehaftete Komponenten, insbesondere Breitband-Transformatoren wie Ununs, uns in falscher Sicherheit wiegen können.

II. Was das SWR-Meter uns verrät – und was nicht

Um die Falle zu verstehen, müssen wir uns kurz vergegenwärtigen, was das SWR eigentlich misst. Das Stehwellenverhältnis ist ein Mass für die Impedanzfehlanpassung zwischen der Quelle (dem Transceiver und dem 50-Ohm-Koaxialkabel) und der Last (dem Antennensystem). Es quantifiziert, wie viel der vom Sender ausgehenden Leistung am Speisepunkt der Antenne reflektiert wird.  

  • Ein SWR von 1:1 bedeutet, dass keine Leistung reflektiert wird; die gesamte Leistung wird von der Antenne aufgenommen.
  • Ein SWR von 2:1 bedeutet, dass etwa 11 % der Leistung reflektiert werden.  

Der entscheidende Punkt ist jedoch: Das SWR sagt nichts darüber aus, was mit der Leistung geschieht, nachdem sie von der Antenne aufgenommen wurde. Es unterscheidet nicht zwischen Leistung, die effizient in den Äther abgestrahlt wird, und Leistung, die in Form von Wärme in den Komponenten des Antennensystems verloren geht.  

Das klassische Beispiel zur Veranschaulichung ist der 50-Ohm-Dummy-Load (Kunstlast). Er hat ein perfektes SWR von 1:1, weil seine Impedanz exakt auf das System abgestimmt ist. Er nimmt 100 % der Sendeleistung auf, strahlt aber praktisch nichts davon ab. Stattdessen wandelt er die gesamte Leistung in Wärme um. Dies ist der ultimative Beweis dafür, dass ein perfektes SWR kein Garant für eine effiziente Strahlung ist.  

III. Der unsichtbare Widerstand: Der verlustbehaftete Transformator

In vielen modernen Antennensystemen, insbesondere bei endgespeisten Halbwellenantennen (EFHW), ist ein Impedanztransformator (Unun) das Herzstück der Anpassung. Idealerweise würde dieser Transformator die hohe Impedanz der Antenne verlustfrei auf 50 Ohm heruntertransformieren. In der realen Welt ist jedoch kein Bauteil perfekt.

Jeder Transformator, der auf einem Ferritkern aufgebaut ist, weist interne Verluste auf. Diese Verluste entstehen durch physikalische Prozesse im Kernmaterial und den Wicklungen und führen dazu, dass ein Teil der durchfliessenden Hochfrequenzenergie in Wärme umgewandelt wird. Ein ineffizienter Transformator verhält sich im Wesentlichen wie ein Dämpfungsglied (Attenuator) oder ein Widerstand, der fest in die Speiseleitung integriert ist.  

Dieser «unsichtbare Widerstand» hat zwei entscheidende Auswirkungen:

  1. Einfügungsverlust (Insertion Loss): Ein Teil der Sendeleistung wird bereits auf dem Weg zur Antenne im Transformator in Wärme umgewandelt und erreicht den Antennendraht gar nicht erst.  
  2. Absorption der reflektierten Leistung: Und hier schliesst sich die Falle. Der Transformator dämpft nicht nur die hingehende Welle, sondern auch die von der Antenne reflektierte Welle auf ihrem Rückweg zum Messgerät.  

IV. Die doppelte Dämpfung: Wie Verluste das SWR künstlich verbessern

Stellen wir uns den Weg der Energie Schritt für Schritt vor, um die Täuschung zu verstehen:

  1. Hingehende Welle: 100 Watt verlassen den Transceiver. Sie treffen auf den verlustbehafteten Unun. Nehmen wir an, der Unun hat 1 dB Verlust. Die Leistung wird gedämpft, und nur noch ca. 80 Watt erreichen den eigentlichen Antennendraht.
  2. Reflexion an der Antenne: Nehmen wir weiter an, die Antenne selbst ist schlecht angepasst und hat ein reales SWR von 3:1. Dies würde bedeuten, dass 25 % der ankommenden Leistung reflektiert werden. Also werden 25 % von 80 Watt, das sind 20 Watt, zurück in Richtung Sender reflektiert.
  3. Rückgehende Welle: Diese 20 Watt reflektierte Leistung müssen nun erneut durch den verlustbehafteten Unun. Dabei werden sie ein zweites Mal um 1 dB gedämpft. Von den 20 Watt kommen also nur noch ca. 16 Watt am SWR-Meter an.

Das SWR-Meter im Shack vergleicht nun die ausgehenden 100 Watt mit den ankommenden 16 Watt reflektierter Leistung. Aus diesem Verhältnis berechnet es ein SWR von ca. 1,9:1. Der Funkamateur sieht einen akzeptablen Wert und ahnt nicht, dass seine Antenne in Wirklichkeit ein schlechtes SWR von 3:1 aufweist und zusätzlich 20 % der ursprünglichen Leistung im Unun verheizt werden.

Die Verluste im Transformator dämpfen die reflektierte Leistung und lassen das SWR am Messgerät besser erscheinen, als es an der Antenne tatsächlich ist. Dieser Effekt ist umso stärker, je höher die Verluste im Transformator sind.  

V. Frequenzabhängigkeit: Die Falle auf den oberen Bändern

Die Verluste eines Ferritkerntransformators sind stark frequenzabhängig. Bei dem für EFHW-Ununs sehr beliebten Ferritmaterial 43 ist die Effizienz auf den unteren Kurzwellenbändern (z. B. 80m, 40m) relativ hoch. Mit steigender Frequenz nehmen die Kernverluste jedoch drastisch zu.  

Messungen zeigen, dass ein typischer Unun auf Basis eines FT240-43 Kerns auf 15m oder 10m einen Einfügungsverlust von 3 dB oder mehr aufweisen kann. Ein Verlust von 3 dB bedeutet, dass  

50 % der Sendeleistung im Transformator in Wärme umgewandelt werden, bevor sie überhaupt den Antennendraht erreichen.

Auf diesen hohen Bändern wird die SWR-Täuschung besonders gravierend. Ein Funkamateur könnte auf 10m ein SWR von 1,2:1 messen und von einer perfekt angepassten Antenne ausgehen. In Wirklichkeit könnte der Unun die Hälfte der Leistung verheizen und gleichzeitig eine erhebliche Fehlanpassung der Antenne maskieren. Das Ergebnis ist eine drastisch reduzierte effektive Strahlungsleistung (ERP).

VI. Wie man die Falle erkennt

Wie kann man also feststellen, ob man in die SWR-Falle getappt ist?

  1. Der Wärme-Test: Die einfachste Methode. Senden Sie für einige Minuten mit konstanter Leistung (z. B. mit RTTY, FT8 oder FM). Fühlen Sie danach vorsichtig am Gehäuse des Ununs. Ist es spürbar warm oder sogar heiss? Das ist ein untrügliches Zeichen dafür, dass ein signifikanter Teil Ihrer Sendeleistung in Wärme statt in Strahlung umgewandelt wird.  
  2. Verdächtig breite Bandbreite: Hocheffiziente, resonante Antennen haben typischerweise eine relativ schmale Bandbreite mit einem scharfen SWR-Minimum. Wenn eine Antenne über mehrere Megahertz hinweg ein flaches, niedriges SWR aufweist, könnte dies ein Hinweis darauf sein, dass eine verlustbehaftete Komponente wie ein «Dummy Load» wirkt und die Resonanzspitze «glättet».  
  3. Vergleichsmessungen: Wenn möglich, vergleichen Sie die Empfangssignale mit einem anderen, bekanntermassen effizienten Antennensystem (z. B. einem einfachen Dipol). Ist Ihre EFHW bei ansonsten gleichen Bedingungen konstant mehrere S-Stufen schwächer, könnten hohe Verluste im Anpassglied die Ursache sein.

VII. Fazit: SWR als Werkzeug, nicht als Endziel

Das Stehwellenverhältnis bleibt ein wichtiges Werkzeug. Es schützt die Endstufe unseres Transceivers und hilft, zusätzliche Verluste im Koaxialkabel zu minimieren. Es darf jedoch niemals als alleiniger Maßstab für die Güte einer Antenne herangezogen werden.  

Die wahre Leistung eines Antennensystems liegt in seiner Strahlungseffizienz – dem Verhältnis von abgestrahlter zu zugeführter Leistung. Eine Antenne ist nur so gut wie ihr schwächstes Glied, und oft ist dieses schwächste Glied ein verlustbehafteter Transformator. Lassen Sie sich nicht von einem schmeichelhaften SWR-Wert täuschen. Ein kritischer Blick auf alle Komponenten des Systems und ein einfacher Fühl-Test am Unun können oft mehr über die wahre Performance Ihrer Antenne verraten als das Messgerät allein.

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